== Zum 100. Todestag von Hermann Diethelm, 17. August 2016 == [Nederlandse tekst] Vor 100 Jahren Im täglichen Leben arbeite ich, unter anderem, mit Tony – einen Engländer in meinem Team. Tony’s Urgroßvater – Arthur E. Davison – ist im Ersten Weltkrieg gefallen in Ieper, bei der Zweiten Flandernschlacht. Ieper war berüchtigt wegen den erstmaligen Einsatz von Giftgas durch den Deutschen; das geschah in den Tagen als Tony’s Urgroßvater gefallen ist. Lesen Sie hier mehr über Arthur E. Davison und einen kurzen Bericht von den Handlungen seines Bataillons in der Nähe von Ieper [Englisch]. Zufällig entdeckten wir daß wir parallele Vorgeschichten haben: mein Urgroßvater – Hermann Diethelm – ist nämlich auch gefallen im Ersten Weltkrieg, am 17. August 1916 in Frankreich, wahrscheinlich in der Schlacht an der Somme. Unsere Urgroßväter kämpften an verschiedene Seiten eines schleppenden, schrecklichen Krieges.
Diethelm aus der 'March' (Kanton Schwyz, Schweiz)
Die Wurzel der Familie Diethelm liegen in der March, ein Bezirk Südöstlich vom Zürichsee in der Schweiz. Dort ist die Geschichte der Diethelms bis ins 13. Jahrhundert zurück zu trazieren.March in der Schweiz (mit u.a. die Gemeinde Schübelbach)Die Diethelms waren im 19. Jahrhundert aktiv in der Milch- und Käseproduktion, wegen der die Region auch bekannt ist. Die Produktion von harten Käsen (z.B. Tilsiter, Emmentaler) erfordert sorgfältige Kontrolle von Temperatur und die Käsen müssen 4-12 Monate reifen. Ausfall entsteht wenn die Milch nicht die richtige Qualität hat oder wenn der Prozeß nicht gewissenhaft durchgeführt wird. Im 19. Jahrhundert findet auch eine weitergehende Professionalisierung der Käseproduktion statt; auch wurden ‘Käserei-Inspektionen‘ eingestellt. Am Ende des 19. Jahrhunderts kommen die Käsepreise immer mehr unter Druck und in der March empfindet man immer mehr Konkurrenz, Fälschung aus Bayern, Westpreussen, Österreich, Frankreich und Rußland. Aber am meisten spürt man die Konkurrenz von ‘fremden‘ Käsen, Chester (England und Nordamerika) und ‘Holländerkäse‘, und bringt den Handel unter großen Druck. Hierunter leiden auch die Diethelms sehr. Migration ist eine der Wegen auf der Suche nach ein besseres Leben. Die Motivation zur Emigration ist aber oft eine Kombination von persönlichen und sachliche Motive; grösser werdende Familien, Erfahrungen von früher emigrierten Familien und Bekannte, Kriegshandlungen und Verlust von Eigentum anderswo, Bankrott, Scheitern durch Spekulation usw. spielen alle eine Rolle. Weichseldelta Die Delta der Weichsel (Vistula), der Fluß der u.a. bei Danzig in der Ostsee mündet, war durch mehrere Deichen Durchbrüche im 16. Jahrhundert eine lange Zeit geflutet und drohte zu versumpfen. Holländische Mennoniten, verfolgt wegen ihren Gottesdienst und verjagt im zweiten Teil des 16. Jahrhunderts, ließen sich nieder in dieser Delta und haben dieses Land entwässert und präpariert um das Land zu bearbeiten. Die Mennoniten lebten in sogenannten "Holländerdörfer". Hier bekennen sie sich zu ihren Glauben, haben ihre eigene Sprache und Bräuche zur Bearbeitung des Landes. Die Bauernhäuser liegen nicht an der Dorfstraße, sondern zentral im Land. In 1622 haben die Mennoniten schon eine gegenseitige Feuerversicherung (durch den Bürgermeister von Danzig erkannt). In dieser Delta werden die Diethelms sich niederlassen, in verschiedene Orte; Hermann Diethelm gründet eine Milchfabrik in Gross Montau.
Weichseldelta mit Holländische NiederlassungenEmigration Mitte 19. Jahrhundert sind es drei Diethelm Familien die migrieren von der March nach der Weichseldelta. Es sind die Nachkommen von diesen drei Familien - zwei Brüder und ihrer Schwester, Kinder von Johann Laurenz Diethelm (1748-1814):
1. Johann Josef Diethelm (1776-1823) x Anna Elisabeth Diethelm 2. Heinrich Anton Diethelm ((1784-1847) x Anna Maria Gutmann 3. Josef Leonz Diethelm (1770-...) x Maria Katharina Diethelm - Bartholomäus (1816-1883), 'Kantonsrichter' x Regina Rouss - Bartholomäus (1837-1915) x Caroline Diethelm (1853-1931) - Hermann Diethelm (1877-1916) x Maria Höfliger (1878-1962)Johann Josef und Heinrich Anton waren beide Landammann (Vorsitzender einer Kantonregierung). Die genannten Urväter von Hermann Diethelm werden, inklusive Hermann selbst, alle in Schübelbach geboren. Johan Jose, Heinrich Anton und Maria Katharina sind Geschwister. Josef Leonz Diethelm und Maria Katharina (auch eine Diethelm), sind die Urgroßeltern meines Urgroßvaters Hermann Diethelm. Ein Sohn von Johann Josef Diethelm, auch mit Namen Josef Leonz Diethelm (1820-…) ist wahrscheinlich als erster emigriert. Hermann Diethelm und seine Familie
Hermann Diethelm (27-11-1877, Schübelbach - 17-08-1916, Frankreich) x Marie Höfliger (06-12-1878, Sadlauken/Bremerhaven - 15-08-1962, Bremerhaven)Hermann heiratet in 1910 in Danzig die ein Jahr jüngere Marie Höfliger. Er verdient sein Einkommen mit seiner Milchfabrik. Das geht ihm anscheinend gut ab. Ganz oben auf dieser Seite ist der Kopf einer vorgedruckten Rechnung der Firma aus 1913 zu sehen, mit dem stolzen Bildzeichen der Milchfabrik.
'Molkerei' und 'Wohnhaus' Hermann Diethelm (Montau, Schwetz)Vater Hermann und Mutter Marie bekommen hintereinander folgende Töchter: Gerda (1911), Anni (1912), Ilse (1914) und Hilde (1914), alle in Montau geboren. Die fünfte Tochter, Eva-Mari (1917) wird erst nach Hermanns Tod geboren. Eva ist meine Großmutter, im Januar 2017 wurde sie 100 Jahre alt. Hermann hat seine jüngste Tochter also nie gesehen. Hermann war also geborener Schweizer und hat sich überzeugen lassen die deutsche Nationalität an zu nehmen. Dafür hat er teuer zahlen müssen. Im Herbst 1915 stirbt sein Vater und wird begraben in Langfuhr (Danzig). Hermann macht im Dezember sein Testament (siehe unten), wahrscheinlich weil er als Soldat dienen muß. Er wird eingesetzt in Frankreich, genaue Einheit ist nicht mehr zu ermitteln (nur eine Anzeige auf dem Grabstein bleibt, siehe unten) – die betreffenden Archive sind durch Kriegshandlungen vernichtet. Irgendwann Ende April, Anfang Mei 1916 ist er wahrscheinlich noch da Heim und erzeugt seine fünfte Tochter. Danach verschwindet er nach Frankreich. Offiziell fällt er am 17. August 1916, aber möglicherweise ist das nicht einmal ein exaktes Datum. Weil nicht bekannt ist bei welcher Einheit er gehörte, ist es auch nicht mehr möglich den Ort zu ermitteln. Nach Hermanns Tod bleibt seine Frau Marie alleine zurück mit ihren 5 Töchtern und die Milchfabrik, die mit Hilfe von anderen aus der Verwandtschaft weiter läuft.
Marie Höfliger und ihre fünf Töchter (ca.1925)Testament (26. Dezember 1915)
Abschrift des Testaments von Hermann Diethelm, 26. Dezember 1915: [2]
" Mein Testament: Für den Falle meines frühen, unvorhergesehenen Todes bestimme ich hiermit folgendes: Das mitgebrachte Vermögen meiner Ehefrau Marie ist angelegt bei der Norddeutschen Kreditanstalt in Tiegenhof und steht meiner Ehefrau hierüber die alleinige Verfügung zu. Von meinem Vermögen sollen meiner Ehefrau Marie geb. Höfliger M 100.000,= Einhundert Tausend Mark vorweg sichergestellt werden und soll sie hiervon den alleinigen Nießbrauch bis zu ihrem Toden haben, nach ihrem Tode fallen diese 100.000 M meinen Kindern zu gleichen Teilen zu: ferner vermache ich der Gemeinde Montau 1000 - Ein Tausend, die Zinsen hiervon sollen jährlich für arme Kinder der Gemeinde verwandt werden. Mark 1000 - Ein Tausend dem St. Adalbertus Verein Mark 1000 - Ein Tausend für die Kriegshinterbliebenen Mark 1000 - Ein Tausend für die Kriegsblinden Mark 1000 - Ein Tausend für die hlg. Kirch in Langfuhr Alles Übrige erben meine lb. Kinder zu gleichen Teilen und wird meine lb. Frau es sich angelegen sein lassen, dieselben zu braven, gesitteten Töchtern zu erziehen. Als Entgelt hierfür steht ihr der Nießbrauch des Vermögens der Kinder bis zu deren Großjährigkeit bzw. eventueller früheren Heirat zu. Meinen Bruder Adolf Diethelm - Rehhof bestimme ich zum Testamentsvollstrecker. Im Falle einer Behinderung desselben meinen Schwager Emil Krieg - Tiegenhof. Es ist mein Wunsch, wenn irgend möglich, auf dem Kirchhofe in Langfuhr, auf dem mein lb. Vater ruht, begraben zu werden. An alle meine lb. näheren Verwandten richte ich noch zum Schluß die Bitte, meinen treuen Hinterbliebenen mit Rat und Tat beistehen zu wollen. Montau den 26. Dezember 1915 gez. Hermann Diethelm " |
Erster Weltkrieg
Schlacht an der Somme (1. Juli 1916 – 25. November 1916)
“Am 1. Juli, den ersten Tag der Offensive, nach einer Wochen langer schwerer Beschuß, verloren die Britten und die ‘Dominion Truppen‘ 57.470 Mann, von denen 19.240 Tote und 35.493 Verletzte. Es war der katastrophalste Tag aus der britischen Militärgeschichte. Daß diese Offensive ein großer Durchbruch erbringen würde, zeigte sich schon schnell eine kostbare Illusion. Als die Schlachten an der Somme im November langsam erstickten im Regen, Eis, Schlamm und Schnee, hatten die Armeen aus Groß Britannien und den ‘Dominions‘ über eine Breite von etwa 35 Kilometern das Front um 10 Kilometer aufgeschoben, während die Franzosen fast zweimal soviel Gebiet wieder erobert hatten. Dafür wurden mehr als eine Million Soldaten verwundet oder tödlich verletzt. Die Verluste von britischen Truppen und die aus den ‘Dominions‘ belaufen sich auf 419.654 Mann (von denen 127.751 gefallen), an französischer Seite 204.353 und auf deutscher Seite ungefähr 465.000. Durch diese enorme Verluste und geringer erzielter Vorteil, war die Schlacht an der Somme die schrecklichste and der westlichen Front im Ersten Weltkrieg." [5] Hermann muß als 38-jähriger in die Uniform. Er sieht etwas kurvenreich aus, nicht sehr trainiert kann man sagen. Er hat eine Zigarre in der Hand um sich stramm zu zeigen – vielleicht sich etwas Mut zu machen daß es klappen wird. Es wird schon bekannt gewesen sein daß die Verluste gigantisch sind, aber es gibt kein Entkommen mehr.Hermann Diethelm in Uniform
Hermann Diethelm in heller Uniform
Die Postkarte ist datiert 19. Aug 1915, abgeschickt aus Preußisch Stargard. Die Postkarte gibt Hinweise zu seiner Einheit: "Danziger Infanterie Regiment 128, 2. Ersatz Bataillon, 1. Komp". Von 28. September bis 12. Oktober 1915 bewegt dieses Danziger Regiment sich nach Nord-Frankreich, im Vorjahr 1916 (ende April) ist Hermann noch ein letztes Mal zu Hause. Die Geschichte dieses Regiments ist in 3 Bänder festgelegt; diese wurden nach dem Krieg von ehemaligen Soldaten geschrieben, Band I und Band II (Bilder) sind digital zur verfuegung. In Band I gibt es eine Ehrenliste des Regiments in der Hermann Diethelm genannt wird: "1.Komp. Diethelm, Hermann, Ldst., gef. 17.8.16. bei Hyencourt-le-Grand."
Dann in August findet er schon sein Ende in Hyencourt-le-Grand und Anfang Oktober wird sein Tod publiziert auf den ‘Verlustlisten‘.
Verlustlisten I.Weltkrieg [4]
3. Oktober 1916
9. Dezember 1916 ("Preussen 706") [Dies ist eine falscher Bericht, hier wird versehentlich 'Dietleben' geschrieben statt 'Diethelm']
3. Januar 1917 ("Preussen 724") [Dies ist eine Korrektur des falschen Berichtes.]Hermann wird, wie im Testament gefragt, begraben in Langfuhr, wo auch sein Vater – erst im Jahr davor – seine letzte Ruhestätte gefunden hatte.
Grabstein
" Hier ruht in Gott der Ldstpfl. [Landsturmpflichtiger] Herrm. Diethelm vom 1. Feldrekrutendepot 1.Komp. geb.am 27.11.77 gefallen am 17.8.16 --- Für Ehr und Pflicht, bis Herz und Klinge bricht. " |
Quellen
[1] Battle of the Somme, 1916; Britischer Dokumentarfilm Battle of the Somme (1916). [2] Die Auswanderung aus der March nach Preussen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dargestellt an den Sippen DIETHELM, von L. Diethelm, 1990. [3] Die Deutschen an der Somme 1914-1918, Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz, 2006. [4] Verlustlisten I. Weltkrieg [5] De afdaling in de hel, p.75, Ian Kershaw, 2015.